Was haben die manchmal melancholischen Klänge des Tangos und das Johannes Evangelium gemeinsam? Auf den ersten Blick wohl nichts, hatte ich gedacht und wurde eines Besseren belehrt.
„Am Anfang war das Wort und das Wort war Gott. (…) Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben die Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“. Viele von uns haben noch einen leisen Schimmer an diesen sperrigen Text, den Prolog des Johannesevangeliums. Zugegeben: Fragmente dieses Textes haben schon immer die Phantasie der bildenden Künstler bis hin zum Film und Musical angeregt. Aber wie soll in einer ganz normalen Kirchengemeinde ausgerechnet dieser Prolog die wieder zahlreich erschienenen Teilnehmer ergreifen, wenn selbst so Mensch wie ich häufig einen Bogen um Johannes gemacht hat, denke ich still bei mir.
Ganz einfach, indem die Vorbereitungsgruppe alle Sinne des Menschen und seiner Seele anspricht! Da entlockt Anja Esau am Cello langsam, eindringlich, zeitweise fast schon bedrohlich Töne, die nicht nur mir unmittelbar unter die Haut gehen. Gleichzeitig verliest die Prädikantin Dagmar Naumann von der Kanzel den Prolog. Damit nicht genug: Von der Decke der Erlöserkirche flattert ein Transparent mit dem handgeschriebenen Text, während Mühldorfs Vikarin sich heimlich still und leise die erste Kerze am Adventskranz entzündet. Was für ein Aufwand! Was für ein Schauspiel! Ich bin ergriffen, bereit mich diesem Text um den ich wie gesagt immer wieder einen Bogen gemacht habe, völlig neu zu nähern!
Hierfür bot auch diesmal der Abend für die Seele diese von Mühldorfs scheidenden Vikarin Claudia Brunnmeier angestoßene Veranstaltungsreihe – man merkt ganz deutlich, dass sie auch über eine fundierte Ausbildung in Theaterpädagogik verfügt – und ihrem Team wie immer reiche Zugänge. So konnte in Arbeitsgruppen der Text besprochen, in einer weiteren der Klang des Cellos mit dem hebräischen Urtext erhört, ein Lichterlabyrinth erfahren oder völkerverbindend bei Musik gemeinsam getanzt werden. Es war für jeden etwas dabei, sozusagen die christliche Alternative zum Kaufrausch der Wellnessbranche.!
Kling, Klong! Der Gong einer Klangschale ließ die Gemeinde wieder zusammenkommen. Nicht zuletzt animierte die Gruppe Echo aus Neumarkt St. Veit mit ihrer Sangeskraft und Lebensfreude die Besucherinnen und Besucher zu kräftigen Gesang im Advent.
Fazit: Es war nicht nur für mich ein Abend für die Seele, es war einer jener Abende, an denen man als ein anderer geht, als man gekommen ist. Herzlichen Dank!
Boris Hillmann